Religion

Fachgruppenleitung: Frau Engert

 

 

„Hoffnung“ – „Liebe“ – „Glaube“: Werbung für Holzarbeiten in einer Schulvitrine

 

Diese Holzarbeiten fanden wir in einer Schulvitrine unserer Schule. Jemand hat die englischen Worte für „Hoffnung“, „Liebe“ und „Glaube“ künstlerisch gestaltet. In dieser Zusammenstellung sind es Zitate aus dem 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in der griechischen Hafenstadt Korinth:

 

 

„Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“

(1. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 13, Vers 13).

 

 

Dieses Bibelwort erinnerte uns, die wir diesen Text für dich und für Sie schrieben, an ein Wort Jesu. Es lautet:

 

 

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein ..."

(Matthäus 4.4)

 

 

Darum könnte es im Religionsunterricht wesentlich gehen: Menschen leben nicht nur vom Essen und Trinken. Sie konsumieren nicht nur und müssen dann irgendwann damit aufhören, wenn sie sterben. Menschen halten in unterschiedlicher Weise Ausschau nach etwas, worauf sie vertrauen (‚Glaube‘), was sie sich erhoffen (‚Hoffnung‘) und was sie lieben (‚Liebe‘) können.

 

Ob Menschen sich dabei als‚ religiös‘ verstehen, ob sie einer Glaubensgemeinschaft angehören oder nicht, spielt für das schulische Unterrichtsfach Religion zunächst gar keine Rolle.

 

Wichtiger als die Frage, ob du Mitglied in einer Kirche bist, ob du Muslima bist oder Atheist, ist für den Unterricht im Fach Religion, ob du neugierig sein kannst darauf, zu erfahren und näher zu verstehen, dass und wie Menschen ‚glauben‘, ‚hoffen‘ und ‚lieben‘.

 

Menschen tun das auf sehr unterschiedliche Weise seit Jahrtausenden. Dabei verändern sich Glaube, Hoffnung und Liebe einerseits stark. Dem gehen wir im Religionsunterricht nach.

 

Andererseits scheinen manche Erfahrungen, Fragen und Erkenntnisse über Jahrhunderte hinweg vergleichbar zu sein. Wir können, wenn wir wollen, immer noch einigermaßen verstehen, was Jesus, Mohammed oder Gautama Buddha vor 2000, 1400 oder 2400 Jahren gewollt und gesagt haben. Allein diese Tatsache macht ‚Religion‘ spannend. Was sind das für Erfahrungen und Gedanken, die die Menschheit so lange schon beschäftigen? Wie können wir heute neu verstehen?

 

Was ist das Besondere am Religionsunterricht?

 

Es gibt ein Vorurteil über das Unterrichtsfach ‚Religion‘. Es lautet:

 

 

„‚Religion‘ – das ist ‚Werte & Normen‘ für Gläubige“

(Schülerin an der IGS Lüneburg, 11 Jahre).

 

 

Wir, die Religionslehrerinnen und Religionslehrer, sehen das nicht so. Wir sehen es anders:

 

„‚Religion‘ – das ist ein Unterrichtsfach, in dem es Zeit gibt für dich und für ein Gespräch mit den anderen entlang der großen Fragen der Menschheit und ganz praktisch für das Leben hier und jetzt.“

 

Im Religionsunterricht geht es zum Beispiel um ‚arm‘ und ‚reich‘, um die Suche nach ‚Gerechtigkeit‘, um den eigenen Umgang mit ‚Geld‘ und ‚Konsum‘. Es geht um den Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Seele. Es geht um Fragen der Medizinethik am Anfang und am Ende des Lebens bis hin zu den kleinen und den großen politischen Fragen in unserem Land und in der Menschheit im 21. Jahrhundert: „Was müssen wir tun, um hier vor Ort in Frieden mit einander zu leben? Was müssen wir tun, um als Menschheit gemeinsam zu überleben?“

 

Wir Religionslehrer und

Religionslehrerinnen sehen den Anfang von ‚Religion‘ sehr passend ausgedrückt

in den persönlichen Worten des großen Physikers Albert Einstein (1879-1955):

 

 

„Das Schönste, das wir erleben können, ist das Geheimnisvolle […] Das Erlebnis des Geheimnisvollen […] hat auch die Religion gezeugt. Das Wissen um die Existenz des Undurchdringlichen […] dies Wissen und Fühlen macht wahre Religiosität aus; in diesem Sinn und nur in diesem gehöre ich zu den tief religiösen Menschen“

(in: Religionsbuch Oberstufe, 21)

 

 

Das Geheimnis aller Geheimnisse vermuten wir Lehrer und Lehrerinnen in ‚Religion‘ in der Beziehung, die Menschen seit Jahrtausenden zu Göttern oder zu einem Gott aufnehmen. Könnten wir auch sagen: Gott nimmt zu den Menschen Kontakt auf? Damit sind wir mitten drin in einer Diskussion im Fach ‚Religion‘ und auch in seiner Mitte angelangt.

 

Wie ist unser Religionsunterricht organisiert?

 

‚Religion‘ ist ein Fach mit denkbar weitem Horizont und großer innerer Vielfalt. Rechtlich und organisatorisch gesehen, ist der Religionsunterricht an der IGS Lüneburg ein christlicher, genau genommen: ein evangelischer Religionsunterricht.

 

Von der Gründungszeit der IGS an versteht die Fachschaft ‚Religion‘ an unserer Schule den Religionsunterricht als ‚konfessionell kooperativ‘ (so lautet die Sprachregelung zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche) und darüber hinaus als Angebot für alle Interessierten.

 

Das bedeutet: Wir berücksichtigen in der Konzeption des Unterrichts die mehr- und die überkonfessionelle (multireligiöse) Perspektive. Wir sehen eine Chance darin, dass wir es in unseren Kursen mit getauften Christen zu tun haben und mit ungetauften Kindern und Jugendlichen, mit Menschen jüdischen, jezidischen und muslimischen Glaubens, mit Kindern und Jugendlichen, die sich mit buddhistischen Gedanken befassen oder die entweder – wie sie sagen – „gar nichts“ glauben oder nicht wissen, ob und was sie glauben und was ‚Glaube‘ überhaupt für sie sein kann. 

 

Wie arbeiten wir im Religionsunterricht?

 

Religionsunterricht ist thematisch und methodisch äußerst vielfältig. Über das  ormale Repertoire jedes Unterrichts hinaus sei genannt: Wir lesen und diskutieren grundlegende Texte der Religionsgemeinschaften, z. B. die Bibel und den Koran. Wir möchten versuchen, sie im Rahmen ihrer Zeit und für heute neu zu verstehen.  

Wir betrachten Bilder und andere ‚Symbole‘ (Zeichen) des Glaubens. Wir gehen bewusst und respektvoll damit um, dass im jüdischen und im muslimischen Glauben ‚religiöse‘ Bilder gar nicht oder nur mit Vorsicht angeschaut werden dürfen.

 

Bei Exkursionen (Ausflügen mit Beobachtungsaufgaben) gehen wir auf Entdeckungsreise. Wir besuchen Kirchen, Moscheen und Friedhöfe. Wir gehen auf

Spuren vergangenen und vor 80 Jahren gewaltsam zerstörten jüdischen Lebens in

Lüneburg.

 

Wir lesen Zeitungen von heute, gucken in die Nachrichten im Fernsehen und im Internet. Wir merken dabei: Es gibt ja immer noch und immer neu den Hass gegen Andersdenkende, gegen Menschen, die anders ‚glauben‘, anderes für wichtig im Leben halten, einen anderen Lebensstil bevorzugen. Im Religionsunterricht nehmen wir das kritisch unter die Lupe und fragen: Warum ist das so? Was bringt Menschen dazu, andere auszugrenzen, sie zum ‚Sündenbock‘ zu machen? Welche Rolle spielen dabei Phrasen aus einer Religionsgemeinschaft, sei sie christlich, jüdisch oder muslimisch oder sonstwas.

 

Wir schauen Filme und spielen Spiele, inszenieren dabei manchmal auch Texte, kleine Rollenspiele.

 

Gelegentlich beteiligen wir uns an Feiern im Schulleben, an einer ‚Herbstfeier‘ oder an Schulgottesdiensten.

 

Wir tun das alles nicht zuerst und nicht unbedingt als ‚Gläubige‘, sondern, ob wir ‚gläubig sind oder nicht, als Lehrende und Lernende in dem vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geschützten ordentlichen Schulfach ‚Religion‘. 

 

Welche Rolle spielt meine eigene Meinung?

 

Das Zentrum im Religionsunterricht ist das Gespräch.

 

Der Theologe und Pastor Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) notierte im Gefängnis, in dem er inhaftiert war, weil er in den Widerstand gegen Hitler und das Unrecht in Deutschland eingetreten war:

 

 

„Im Gespräch kann immer etwas Neues geschehen.“

(Juli 1944, un: Widerstand und Ergebung)

Jugendliche im Gespräch in Taizé ©Vera Rüttmann
Jugendliche im Gespräch in Taizé ©Vera Rüttmann

Eigentlich sollte es nach dem bis hierhin Gesagten klar sein: Es geht bei Gesprächen im Religionsunterricht nicht darum, dass du ‚religiös‘ bist oder Mitglied irgendeiner ‚Religionsgemeinschaft‘ sein müsstest. Deine Religionslehrer und Religionslehrerinnen drängen dich nicht dahin, irgendeinen ‚Glauben‘ übernehmen zu müssen. Sie bewerten auch nicht, ob du etwas oder was du persönlich ‚glaubst‘, was deine Lebensüberzeugung und deine ‚Meinung‘ ist.

 

Tatsächlich bieten wir dir stattdessen die Möglichkeit – ob du etwas oder einem ‚Gott‘ ‚glaubst‘ oder nicht – Neues kennenzulernen und zu wissen von dem, was, warum und wie Menschen ‚glauben‘. Um das herauszufinden, müssen wir miteinander sprechen. Gelegentlich spielerisch und einfach mal probeweise, oft aber auch ernst, manchmal persönlich, dann vertrauensvoll, so weit das zu zweit oder am Tisch oder im Plenum gerade dieser Lerngruppe geht (oder auch nicht geht).

 

Die Freiheit, das Fremde, die Kritik und das Staunen

 

‚Religion‘ ist, global gesehen, das politische Top-Thema, leider aktuell oft unter den Vorzeichen von Fundamentalismus und Gewalt. Religionsunterricht bedeutet darum auch Kritik der ‚Religion‘ – und zwar aus theologischer Sicht, von den Texten der Religionen her.

 

Wir versuchen, die eigene und auch die uns fremde Tradition zu respektieren und zu verstehen. Dabei können wir einander helfen. Nur wer das Zuckerfest mehrere Male selbst gefeiert hat, kann davon erzählen. Nur, wer im Krippenspiel zu Heiligabend mitgespielt hat oder in einem Ostergottesdienst war, kann aus Erfahrung sagen, was da geschieht. Im Religionsunterricht hören wir einander zu.

 

Im Religionsunterricht geht es tatsächlich um die Erfahrung einer Freiheit, dass jede und jeder sich selbst wertschätzt und die goßen Menschheitsfragen bedenken lernt, ohne dass das sofort einen ‚Zweck‘ erfüllt. Gerade der Freiraum im Fach ‚Religion‘ erfüllt besser als eine moralische Zweckbindung den Sinn, dass Menschen wahrhaftig ins Staunen und zur Besinnung kommen, seien sie nun religiös‘ oder nicht.

 

Dass du und ich ‚da‘ sind, dass es überhaupt ‚etwas‘ ‚gibt‘ und nicht vielmehr ‚nichts‘ … dieses uranfängliche Staunen teilt unser Religionsunterricht mit den größten Geistern der Philosophie.

 


Die Themenliste des Logbuchs für das Fach Religion können Sie hier herunterladen.

Download
Religion_LogbuchThemenliste.pdf
Adobe Acrobat Dokument 70.1 KB

Die Kerncurricula für das Fach Religion können Sie hier herunterladen.

Download
Sekundarstufe I
kc_religion_igs_sek1.pdf
Adobe Acrobat Dokument 363.2 KB
Download
Sekundarstufe II
kc_religion_go_sek2.pdf
Adobe Acrobat Dokument 243.0 KB